Softwareentwicklung mit agilen Teams beinhaltet, dass Teams ihre Arbeit selbst organisieren und die anstehenden Aufgaben eigenständig managen. In einer idealen Vorstellung sind das dann Teams, die die anstehenden Aufgaben ernst nehmen und in denen jeder gerne Verantwortung übernimmt. Die Mitglieder helfen einander, haben immer das Sprint- und Projektziel vor Augen und wägen vor diesem Hintergrund im Tagesgeschäft ihre Entscheidungen ab. Auftretende Probleme werden sachlich diskutiert und im Anschluss pragmatisch gelöst. Die Qualität der gelieferten Software stimmt, jeder im Team ist sich des Qualitätsanspruchs bewusst. Storys werden im 2-Tagesrhythmus fertig gestellt und geliefert wird immer deutlich vor dem geplanten Termin.
Die Realität sieht in den allermeisten Fällen leider anders aus. Die Teams, mit denen wir in Unternehmen arbeiten, straucheln häufig daran, Dinge fertig zu stellen. Auftretende Probleme werden zwar lang diskutiert, ohne dass aber am Ende eine Entscheidung getroffen wird. Oder sie werden stattdessen einfach „ausgesessen“. Am Ende der Sprints bleiben viele Dinge „fast fertig“. Release Termine werden verschoben oder nur mit dürftiger Qualität gehalten. Alle Beteiligten leiden unter der nicht zufriedenstellenden Situation.
Von außen betrachtet
Von außen betrachtet könnte der Eindruck entstehen, dass in den Teams niemand bereit ist, sich zu engagieren oder Verantwortung für die Ergebnisse zu übernehmen. Das Fazit der Projektverantwortlichen lautet dann schnell: „Mit diesen Leuten im Team kann man ein solches Projekt nicht erfolgreich machen.“
Beginnt man als Scrum-Master oder Agile Coach Teams in solchen Situationen zu helfen, entsteht oft ein völlig anderes Bild: Die Menschen in den Teams machen einen kompetenten Eindruck, sind technisch versiert und respektvoll im Umgang miteinander. Trotzdem ist deutlich spürbar, dass die Zusammenarbeit nicht gut funktioniert und die Menschen im Team unzufrieden mit oder sogar gequält von ihrer Arbeitssituation sind.
Was genau geht hier also vor sich?
Das Drumherum
Interessant ist es in einer solchen Situation den Blick auf das Drumherum zu wenden: Wie sehen die Rahmenbedingungen aus, unter denen das Team agiert?
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Sind allen Teammitgliedern die Projektziele klar?
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Gibt es Transparenz darüber, welche Entscheidungen das Team treffen darf?
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Kann das Team selbst über Qualitätsmaßnahmen und Verbesserungen entscheiden?
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Haben die Teammitglieder überhaupt die nötigen Fähigkeiten, um die Projektanforderungen umzusetzen?
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Gilt dies nicht nur für die technischen sondern auch für die kommunikativen Anforderungen?
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Was passiert, wenn Fehler passieren?
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Gibt es Raum und Zeit für Verbesserungen im Arbeitsprozess?
All diese Dinge haben nicht unmittelbar etwas mit den Mitgliedern des Teams zu tun, sondern eher damit, wie die Rahmenbedingungen gestaltet sind, unter denen das Team arbeitet. Bei der Frage, wie diese Rahmenbedingungen zu Stande kommen, spielt Führung eine ganz entscheidende Rolle. Denn selbst wenn die jeweilige Führungskraft die obigen Fragen alle eindeutig positiv beantwortet, unterscheidet sich die Einschätzung des Teams unter Umständen gewaltig davon:
Wenn man sich als Führungskraft regelmäßig mit dem Kunden über die Projektziele austauscht, sind diese für einen selbst sehr präsent und völlig klar. Leicht vergisst man darüber jedoch, dass das Team von den Diskussionen mit dem Kunden nichts mitbekommt und insofern oft im Unklaren über die aktuellen Ziele ist.
Viele der obigen Punkte werden dabei zusätzlich in unscheinbaren Nebensätzen entschieden:
Die Frage „Hat jeder genug zu tun?“, im Daily eines Teams gestellt, zerstört in wenigen Augenblicken die Motivation des Teams im Pair-Programming Dinge konzentriert abschließen zu wollen.
Die Aussage „Dazu haben wir jetzt keine Zeit“ als Bewertung der Ergebnisse einer Retrospektive macht jede Motivation für Prozessverbesserung im Team zunichte.
Oft sind die Ursachen für fehlende Informationsflüsse, nicht angesprochene Themen und fehlende Klarheit über Entscheidungsmöglichkeiten weder für die Führungskraft noch für das Team klar benennbar.
Viel bleibt insgesamt implizit, unausgesprochen und führt zu einer latenten Unzufriedenheit auf beiden Seiten.
Aus unserer Beobachtung scheitert das Selbstmanagement und die Verantwortungsübernahme in den meisten Fällen an mindestens einem der vier folgenden Faktoren:
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Fähigkeiten - Hat das Team in allen technischen und sozial-kommunikativen Bereichen die für die Projektumsetzung nötigen Fähigkeiten?
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Informationen / Klarheit - Sind die Projektziele und unternehmerischen Rahmenbedingungen allen Teammitgliedern ausreichend klar?
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Vertrauen - Werden dem Team eigenverantwortliche Entscheidungen zugetraut? Und wie wird mit Fehlern und Lernsituationen umgegangen?
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Macht - Welche Entscheidungen darf das Team selbst treffen? Und herrscht Klarheit zwischen Team und Führungskraft über die Art der Delegation?
Alles neu, aber wie?
Sollen Teams in der agilen Softwareentwicklung mehr Verantwortung übernehmen, mehr Entscheidungen selber treffen und sich „selber managen“, so braucht dies entsprechende Rahmenbedingungen. Die Aufgabe von Führung in diesem Kontext ist es dann nicht mehr, das Team zu steuern und selbst alle wichtigen Entscheidungen abzuwägen und zu treffen. Aufgabe von Führung ist in diesem Kontext viel mehr die Schaffung von geeigneten Rahmenbedingungen unter denen Teams eigenverantwortlich arbeiten können.
Der Schwerpunkt der Aufgaben der Führungskraft verschiebt sich somit aus dem Bereich „managen, entscheiden, anweisen, kontrollieren“ hin zu „moderieren, coachen und beraten“. Methoden und Haltung von Führung unterscheiden sich dabei sehr deutlich vom bisherigen Führungsverständnis, das im Wesentlichen vom Taylorismus geprägt ist.
Der Weg zu der neuen, indirekten und unterstützenden Führung ist somit nicht einfach. Es braucht nicht nur einen komplett anderen Satz an Führungswerkzeugen sondern zusätzlich auch eine Reflexion der eigenen Haltung: Sich selbst weniger als Entscheider sondern eher als Wegbereiter zu sehen, fällt vielen Menschen in Führungspositionen schwer. Während es für den methodischen Teil bereits viel unterstützende Literatur und Weiterbildungen gibt, ist die Überprüfung und Anpassung der eigenen Haltung weitaus schwieriger zu bewerkstelligen.
Elemente aus dem systemischen Coaching, der lösungsfokussierten Beratung und dem Selbstmanagement liefern aber eine gute Grundlage für diesen kontinuierlichen Prozess. Ergänzt mit einem Methodenbaukasten aus Management 3.0, Management Y, und Co. wird daraus ein solides Handwerkszeug, um der Aufgabe agile Teams unterstützend zu führen für die Zukunft gewachsen zu sein. Wir bieten dazu eine passende Weiterbildung für Führungskräfte an, um bei diesem Veränderungsprozess zu unterstützen.