Immer wieder – und gerade jetzt in der Coronakrise – stolpern wir in Situationen, denen wir uns machtlos gegenüber sehen: Einschränkungen der eigenen Bewegungsfreiheit, Personen aus unserem Arbeitskontext, die uns durch ihr Verhalten fürchterlich ärgern, Kunden, die auf unmöglichen Forderungen beharren. Aber vielleicht auch Chefs, die Dinge einfordern, die so überhaupt nicht funktionieren können. Schnell entsteht daraus ein Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit. ‘Ich kann nichts tun, die anderen müssen etwas anders machen.’
Oft begegnet uns eine solche Wahrnehmung auch in Teams: ‘Der Kunde hat die Termine so knapp gesetzt, wir konnten gar nicht bessere Qualität liefern.’, ‘Wenn der Nutzer unsere Software so komisch nutzt, ist ja klar, dass es nicht funktioniert.’
Das Grundthema ist in beiden Situationen ganz ähnlich: Es gibt ein Thema, dass uns wichtig ist, wir fühlen uns aber als Einzelperson oder als Team nicht in der Lage, dieses selbstständig anzugehen.
Circle of Concern
Stephen Covey beschreibt in seinem Buch ‘The 7 Habits of Highly Effective People’ ein einfaches, aber hilfreiches Modell für die Einordnung solcher Situationen:
All die Dinge, die uns wichtig sind, liegen in unserem ‘Circle of Concern’. Dinge, die uns am Herzen liegen, die uns Sorgen machen, Ärger bereiten oder Ängste auslösen.
Auf einige davon haben wir keinen Einfluss, auf andere aber schon. All die Themen, die wir selber beeinflussen können, liegen in unserem ‘Circle of Influence’, in unserem eigenen Einflussbereich.
Sobald wir unter Stress geraten, sei es durch Angst, Ärger oder schlicht zu viel Arbeit, tendieren wir dazu, unseren ‘Circle of Influence’ immer knapper zu sehen.
Je kleiner wir unseren ‘Circle of Influence’ selbst sehen, desto größer ist das Gefühl von Hilflosigkeit und Ohnmacht. Diese Gefühle verzerren weiter unsere Wahrnehmung und führen so zu einer Verstärkung dieses Effekts. Wir finden uns in einer Situation wieder, in der wir nur noch reagieren auf die Umstände, auf die wir scheinbar keinerlei Einfluss haben.
Raus aus dem rein reaktivem Verhalten
Nüchtern und von aussen betrachtet ist in den allermeisten Situationen unser ‘Circle of Influence’ viel größer, als wir es in einer solchen Situation erkennen können.
Wie aber lässt sich dieser Kreis durchbrechen? Wie können wir besser erkennen, was doch alles in unserem Einflussbereich liegt und wie wir unseren ‘Circle of Influence’ wieder bewusst erweitern können, mit dem Ziel wieder in einen proaktiven Handlungsmodus zu kommen und unsere Situation zu gestalten anstatt nur von ihr beherrscht zu werden?
In einem ersten Schritt gilt es, aus dem emotionalen Trudel auszubrechen. Centering Übungen helfen, die eigene Mitte wieder zu finden und sich auf das Hier und Jetzt und die eigenen Ziele zu konzentrieren. Dieser Schritt ist die Grundlage, um zu einer offeneren Sicht auf die eigenen Möglichkeiten gelangen zu können.
Hin zu proaktiven Verhaltensmustern
Danach bringt die Frage mehr Klarheit, was denn eigentlich mein konkretes persönliches Ziel oder Idealbild in der Situation wäre, was ich denn eigentlich ändern möchte.
In einem dritten Schritt geht es darum, Ideen zu sammeln, wie ich meinen ‘Circle of Influence’ erweitern kann. Dabei kann man in drei unterschiedliche Richtungen überlegen:
Welche Dinge gibt es, die ich konkret selbst tun kann?
Mein eigenes Verhalten ändern und weniger Arbeit annehmen? Dem Chef Rückmeldung zu seinem Verhalten geben?
Was liegt im Einflussbereich von anderen Personen, mit denen ich sprechen kann?
Die AbteilungsleiterIn auf ein Thema hinweisen? Beim Betriebsteam vorsprechen und ein Thema erörtern? Dem Kunden Konsequenzen seines Termindiktats aufzeigen?
Wenn all das nicht hilft: Kann ich meine innere Haltung zu dem Thema ändern und so die Situation für mich erträglicher machen?
Kann ich versuchen den Kollegen so zu akzeptieren, wie er ist? Die Einschränkungen in der Coronakrise anzunehmen, einzuhalten, um dazu beizutragen, dass die Situation möglichst schnell deeskaliert?
Diese drei Denkrichtungen kann jede/r für sich selbst nutzen, um Möglichkeiten zu finden den eigenen ‘Circle of Influence’ zu erweitern. Besonders hilfreich ist es, sich dazu auch mit einer vertrauten Person auszutauschen, die weitere Anregungen gibt und aus der Außenperspektive zusätzliche Denkanstöße liefern kann. Letzteres gelingt allerdings nur, wenn das Gegenüber das mit einem hohen Einfühlungsvermögen, einer fragenden Haltung und ohne ‘kluge Ratschläge’ tut.
Fazit
Gerade in schwierigen Zeiten ist diese Herangehensweise für Führungskräfte im Umgang mit sich selbst und dem eigenen Team essentiell. Sie ist daher zusammen mit Themen wie Embodied Leadership, dem Responsibility Process von Christopher Avery auch Teil unserer Weiterbildung ‘Führung in agilen Organisationen’.